Am 4. März 1933 nahm die damalige österreichische Regierung unter Kanzler Dollfuß einen Formfehler in einer Nationalratssitzung zum Anlass, um das österreichische Parlament aufzulösen und die Demokratie abzuschaffen. Österreich wurde in einen autoritär regierten Staat umgewandelt (Austrofaschismus). Der sozialdemokratische Republikanische Schutzbund wurde behördlich aufgelöst.

Der Republikanische Schutzbund wurde 1923 gegründet und sollte in Gegengewicht zu den bereits 1920 geschaffenen christlich-sozialen Heimwehren und zum ebenfalls von Christlich-Sozialen dominierten Bundesheer bilden. Aufgabe des Schutzbundes war der Schutz sozialdemokratischer Veranstaltungen vor Übergriffen und die Verteidigung der Verfassung und der Demokratie in Österreich.

In unserer Gemeinde dürfte es 2 Organisationseinheiten (Abteilungen) des Schutzbundes gegeben haben. In Letten gab es schon zu Beginn des Jahres 1920 eine rege Tätigkeit in der Form von Wehrsportgruppen, die sich später in den Republikanischen Schutzbund umwandelten. Auch in Sierninghofen-Neuzeug bestand eine Abteilung des Schutzbundes. Zeitzeuge Alois Fuchs aus Gründberg berichtet davon, dass die Abteilung aus ca. 25 Männern bestand und die Übungen zumeist in Rosenegg stattfanden.

Nach der von der Regierung erzwungenen Auflösung des Schutzbundes gaben die ihre Waffen allerdings nicht ab, sondern verwahrten sie in sicheren Vestecken. Anfangs hatten die Mitglieder des Schutzbundes die Waffen auch in ihren eigenen Häusern bzw. Wohnungen versteckt. Alois Fuchs aus Gründberg hatte Waffen in seiner Wohnung eingemauert. Er wurde allerdings verraten und bei einer Durchsuchung am 1. Mai 1933 wurden die Waffen gefunden. Alois Fuchs wurde eingesperrt und musste 4 Monate absitzen. Später wurden die Waffen an anderen Plätzen versteckt, zB. unter dem Dach des Wartehäuschens am Bahnhof der Steyrtalbahn in Letten.

Nach dem März 1933 wurden die Betätigungsmöglichkeiten der Sozialdemokratischen Bewegung systematisch eingeschränkt. So wurde etwa der Sektion Letten von der Behörde die Verwendung von Schaukästen untersagt.

Am 12. Februar 1934 löste der Versuch der austrofaschistischenen Heimwehr die im Hotel Schiff versteckten Waffen der Linzer Schutzbündler zu beschlagnahmen einen Bürgerkrieg aus. In einem verzweifelten Kampf gegen die faschistische Heimwehr, die vom Bundesheer und der Regierung unterstützt wurde, versuchte die österreichische Sozialdemokratie die Freiheit und die Demokratie in Österreich zu retten. Es sollte allerdings nicht gelingen!

Wenige Stunden nach dem Beginn der Kampfhandlungen in Linz fiel in der benachbarten Stadt Steyr der erste Schuss. Zugleich mobilisierte der Sierninger Schutzbund seine Mitglieder um den Kameraden in Steyr zu Hilfe zu kommen. Bereits um 15.00 Uhr wurden 2 prominente Führer des Sierninger Schutzbundes, Max Schlader und Josef Köchl, von der Gendarmerie verhaftet. Schlader war Obmann und Köchl Kassier des Sierninger Schutzbundes.

Der Obmann der sozialdemokratischen Lokalorganisation von Neuzeug/Letten, Gustav König (damals auch Vizebürgermeister der Gemeinde Sierning) und die militärischen Leiter des Schutzbundes, Johann Breirather, Josef Niedermayr und Josef Pichler konnten von der Gendarmerie nicht mehr erreicht werden und wurden erst nach der Beendigung der Kampfhandlungen verhaftet und ins Kreisgericht nach Steyr eingeliefert. Im Laufe der Nachmittagsstunden des 12. Februar 1934 haben sich die Mitglieder des Schutzbundes in die Gegend von Schwaming begeben und zum Abmarsch Richtung Steyr versammelt. Diese Gruppe ist auf 95 – 100 Mann angewachsen.

Die Sierninger Schutzbündler eilten von Schwaming über Unterhimmel nach Steyr und griffen mit großer Waghalsigkeit zweimal die Militärkaserne an ohne sie jedoch einzunehmen. Erreicht wurde dadurch eine Entlastung der Steyrer Schutzbündler, die sich auf die Ennsleite zurückgezogen haben. Am 13. Februar zeichnete sich die Niederlage des Schutzbundes ab und so zog sich um 15:00 Uhr ein Teil der Schutzbündler über Gründberg wieder nach Sierning zurück. Zahlreiche Verhaftungen waren die Folge.

Gegen Mitternacht wurden die beiden Filialen des Arbeiterkonsumvereins in Letten und Sierninghofen nach Bargeld durchsucht und ein Betrag von 892,– Schilling beschlagnahmt. Die Filialen wurden gesperrt und bis zum Abtransport der gesamten Waren bewacht. Der von den Kinderfreunden in einer Baracke in Letten betriebene Kindergarten wurde von der Heimwehr abgerissen.

Am 14. Februar 1934 wurden alle sozialdemokratischen Vereine in Österreich behördlich aufgelöst und verboten. Auch die Sierninger Sozialdemokraten wurden verboten. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Das Inventar musste mit Lastkraftwagen und Fuhrwerken zur Gemeinde befördert werden.